Frank Brachvogel, Geschäftsführer Open District Hub e.V. (Foto: Moonrider Productions)

EuGH-Urteil hat wenig Auswirkungen auf Quartiersmodelle –schnelle Klarstellung von BMWK und BNetzA erforderlich

Mieterstrommodelle und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung weiter möglich

Berlin/Luxemburg, 12.12.2024 – „Die Diskussion über das EuGH-Urteil hat gerade erst begonnen. Wir werden voraussichtlich erst konkret abschätzen können, wer von welchen Auswirkungen betroffen sein wird, wenn Bundesnetzagentur und Bundeswirtschaftsministerium klarstellen, dass viele Modelle weiter bestehen können und einige angepasst werden müssen. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass das EuGH-Urteil voraussichtlich wenig Auswirkungen auf partizipative Quartiersmodelle haben wird. Insbesondere Mieterstrommodelle und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind weiter möglich, ebenso Kundenanlagen, eventuell jedoch in angepasstem Umfang. Dies ist unsere erste Einschätzung nach Beratung mit unserem Rechtsexperten Stefan Söchtig von HFK Rechtsanwälte. Der ODH wird den beschrittenen Weg von BNetzA und BMWK für Quartiersmodelle auf jeden Fall aktiv begleiten“, erklärt Frank Brachvogel, Geschäftsführer vom ODH Open District Hub e.V. Letztendlich komme es also auf den Einzelfall an, wie auch der Fall zeige, der dem EuGH-Urteil zugrunde liegt. Daher sollte jeder Marktteilnehmer in diesem Bereich sein Geschäftsmodell und die vertragliche Gestaltung überprüfen, rät der ODH.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 28.11.2024 ein Urteil getroffen, wonach die Anerkennung einer geplanten Kundenanlage rechtswidrig ist. Hintergrund war dafür eine Anfrage des deutschen Bundesgerichtshofs. Der EuGH entschied, dass die von einem staatlichen französischen Energieversorger geplante Kundenanlage nach EU-Recht nicht genehmigt werden kann. Somit könne § 3 Nr. 24a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) nicht als Grundlage für eine Anerkennung herangezogen werden.

Grundsätzlich sieht der EuGH in seinem Urteil zwar einen Spielraum bei der Abgrenzung eines zulässigen Netzes, das nicht Verteilnetz (Rn 57) nach der EU-Richtlinie 2019/944 ist. Der nationale Gesetzgeber darf aber keine weitergehenden Kriterien dafür einführen. Dies sieht der EuGH für Deutschland teilweise für gegeben. „Der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Rechtsprechung wenden den § 3 Nr. 24a EnWG EU-rechtskonform an. Danach wird nicht jede Kundenanlage als nach der zitierten Definition im EnWG als zulässig anerkannt. Die Vereinfachung für beschränkt große Kundenanlagen ist damit im EU-Sinne gerechtfertigt, da nur die `als für den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas als unbedeutend´ angesehenen Anlagen als Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG eingestuft werden“, erläutert Stefan Söchtig vom ODH-Mitglied HFK Rechtsanwälte.

Der EuGH bestätigte dies im Urteil in Randnummer 81 am Ende, indem er nur den zur Entscheidung anstehenden Einzelfall für EU-rechtswidrig ansieht. „Dies gilt hier, da ein Unternehmen wie das in diesem Fall tätige Tochterunternehmen eines französischen Energiekonzerns aus einem Blockheizkraftwerk Energie von bis zu 1.000 MWh für mehrere Wohnblöcke mit bis zu 200 Wohnungen über ein privates Netz liefern will. Von diesem Urteil sind zumindest also Unternehmen betroffen, die hauptgewerblich Energie liefern“, betont Söchtig.

Dass eventuell größere Anlagen mit bestimmten Modellen möglich sind, ergibt sich nach Einschätzung des ODH aus der ebenfalls umzusetzenden EU-Gesetzgebung u.a. aus der der RED II-Vorgabe (RL (EU) 2018/2001) zur „Förderung einer breiteren Teilhabe am dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien“. Danach muss das Ziel durch die nationale Gesetzgebung erreicht werden, das „Engagement [auch] von Anlagenbetreibern, deren geschäftliche Haupttätigkeit nicht in der Bereitstellung von Strom besteht“ (BR-Drs. 383/23, 123; BT-Drs. 20/8657, 109), anzuregen bzw. zu erhöhen. „Die Wohnungswirtschaft ist bei weiter Auslegung und entsprechender Modellierung also voraussichtlich von diesem Urteil nicht betroffen, genauso wenig die privaten Vermieter bei Mieterstrommodellen und der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. Dasselbe würde für Energy Sharing-Modelle gelten, wenn die geplante EnWG-Novelle in Kraft tritt“, so Brachvogel. Der ODH werde sich insoweit besonders für eine schnelle Konkretisierung nach dem Urteil einsetzen. Diese solle möglichst noch vor der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof, der den EuGH um eine Auskunft gebeten hatte, erfolgen.

 

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Marie Lortz

Projektmanagerin Kommunikation & Events

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