Zusammenfassung der Ausgabe 3 von „Nachgefragt – ODH im Gespräch“

„Energie und Mobilität zusammen denken – E-Autos als Powerbank des Quartiers“, so lautete das Motto unseres dritten Talks, den wir Anfang April zusammen mit dem Munich Network e.V. konzipiert und durchgeführt haben. Ging es beim gemeinsamen Innovation Expert Panel im November um bidirektionales Laden in Form von „Vehicle-to-Grid“, haben wir nun den Anwendungsfall „Vehicles-to-Buildings“ (V2B) unter die Lupe genommen.

 

Wie Elektroautos zukünftig zum Energiespeicher des Quartiers werden können und damit zu mehr Flexibilität und neuen lukrativen Geschäftsmodellen führen, darüber sprach Moderator Frank Christian Hinrichs mit Stefan Ritter, Leiter Erneuerbare Energien bei Vonovia, Markus Wunsch, Leiter Netzintegration E-Mobilität bei Netze BW, und Andrew Mack, CEO von Octopus Energy Germany.

 

Bidirektionales Laden: Chancen und Geschäftsmodelle im Quartier

Einig waren sich unsere Gesprächspartner darin, dass bidirektionales Laden schneller aus der Forschung in die Umsetzung kommen muss. Für Stefan Ritter ist es als relevanter Schlüssel für die Erreichung des Klimapfads anzusehen, den die Vonovia sich gegeben hat. Über Sanierungen, PV-Anlagen und Wärmepumpen soll ihr Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand bis Ende 2045 führen. Die Elektrifizierung der Mobilität spielt aufgrund der Mieterstruktur jedoch eine untergeordnete Rolle. Erster Schritt ist es, unidirektionales Laden vor Ort zu ermöglichen, zum Beispiel für Carsharing und Lastenräder. Markus Wunsch blickte aus regulierter Sicht auf das Thema. Beim V2B werden Energieanlagen hinter dem Netzanschlusspunkt optimiert, indem Lastspitzen geglättet werden – was sich auch vorteilhaft auf den Energieversorger auswirkt. Somit ist es ein Beispiel dafür, wie durch Partizipation eine Gesamtoptimum erreicht und Komplexität verringert werden kann. Andrew Mack gab einen Einblick darin, welche Rolle deutsche Autobauer im Energiemanagement spielen werden, um Systeme und Produkte im Sinne der Customer Journey zu verstehen. Langfristig sieht er ein Kooperationsnetzwerk von Fahrzeugherstellern, Energiewirtschaft und dem Gebäudemanagement. Denn trotz der immer gleichen verbauten Komponenten – Photovoltaik, Wärmepumpe, E-Fahrzeuge, Speicher – sind die Anforderungen an das Asset Management vor Ort ganz individuell. Hier entstehen neue Businessmodelle, wie sie eine entsprechende Softwarelösung von Octopus Energy darstellt.

Wer übernimmt die Rolle des Aggregators im Quartier?

Das Management von Energie- und Datenströmen vor Ort ist eine komplexe Herausforderung. Unser Livepublikum traut die Rolle des Aggregators am ehesten dem Quartiersbetreiber zu (55%). Dass es diese Rolle braucht, war auch unseren Gästen ein Anliegen, dessen Lösung aber nicht deutschlandweit einheitlich geregelt werden muss. Über geeignetes Know-how verfügen Verteilnetzbetreiber ebenso wie Quartiersmanager/-betreiber. Automobilhersteller eignen sich als Aggregator hingegen nur bei einheitlichen Fahrzeugflotten. Stefan Ritter betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, Endverbrauchern weitere Anreize und eine Auswahl zu geben, wie und für wen sie verfügbare Flexibilitäten freigeben. Hier wäre ein Mix aus monetären, grünen und Gamification-Ansätzen zielführend.

 

Information und Datenfluss bei V2B

Um die Rolle des Aggregators ausfüllen zu können, braucht es die Kenntnis von Lade- und Entnahmekapazitäten bei den Fahrzeugen und der Verbrauchsseite im Gebäude. Für Stefan Ritter ist zunächst die technische Netzanbindung zu überwinden, da E-Autos überwiegend mittels Gleichstroms betrieben werden. Außerdem ist das Einbeziehen des Fahrers bzw. Nutzers notwendig, um mehr Flexibilität zu erlangen. Octopus Energy sieht die Lösung in einer App, die schon heute spezifische Daten zum Nutzungsverhalten sammelt. Durch weitere Iterationen wird sie über Profile und Präferenzen Auskunft geben können. Für Markus Wunsch ist ein komplett automatisiertes System mit viel Intelligenz das Zielbild. Dazu braucht es herstellerunabhängige Standards, um schnell skalierbare Lösungen zu erlangen.

 

Next Steps zur Umsetzung

Auch beim bidirektionalen Laden im Quartier stellt sich die Frage, wie Tempo zu erzielen ist. Andrew Mack zitiert das Beispiel Tesla: einfach machen – indem man beweist, dass es funktioniert und vorangeht. Andere Unternehmen und Organisationen, aber auch der Gesetzgeber folgen dann nach. Dabei bedarf es Mut für ein Commitment zu sauberer, billiger Energie in der Zukunft und eine einfache, klare Geschichte für die Menschen. Markus Wunsch weiß um den langjährigen und schleppenden Roll-out von Smart Metern und Smart Meter Gateways über Jahrzehnte. Aus seiner Sicht wird sich bidirektionales Laden innerhalb der nächsten 10 Jahre am Markt durchsetzen, sicher nicht flächendeckend in ganz Deutschland, sondern schrittweise. Dazu sollte zunächst das unidirektionale Laden forciert werden, bevor man sich mit der Umsetzung des bidirektionalen Ladens verhebt. Stefan Ritter wies ergänzend auf die aktuelle Regulierung hin, die beispielsweise durch eine unsauber definierte Kundenanlage, fehlende Standards für Zählerschränke oder die verpflichtende Zusammenlegung von Hausanschlüssen rentable Mieterstromkonzepte immer noch ausbremst.

 

Hashtags für die Bundesregierung

Frank Christian Hinrichs

Abschließend bat Frank Christian Hinrichs die Diskutanten, einen Wunsch an die Regierung, mit einem Hashtag zu formulieren. Sein eigenes Hashtag war #mehrTempo.

Andrew Mack wählte #redtapebonfire, dabei sollen die unnötig komplizierten Regulierungen „weggebrannt“ werden.

Stefan Ritter bezog sich nochmals auf die #Kundenanlage – ein guter Weg, der bilanziell und energiewirtschaftlich machbar ist – sowie auf #Digitalisierung, um eine Plattform für Transparenz zu gestalten.

Für Markus Wunsch war #informationsharing wichtig. Durch klare, kleine Durchstiche sollen Informationen über Unternehmensgrenzen hinweg geteilt werden.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei unseren Gästen für die kurzweilige und inspirierende Gesprächsrunde und bei den mehr als 90 Zuschauenden für ihr Interesse und ihre rege Teilnahme am Livechat. Wie zuvor werden wir unbeantwortete Fragen in diesem Blog nachreichen.

 

Wir freuen uns auf den weiteren Diskurs zur Energiewende im Quartier!

Die nächste Ausgabe von „Nachgefragt – ODH im Gespräch“ findet voraussichtlich im Herbst statt.